Welches Buch es auf die Bestsellerliste schafft, ist immer wieder Thema für Diskussionen. Nicht immer ist nachvollziehbar, weshalb sich manche Titel massenweise verkaufen, während andere als Ladenhüter enden. Die Idee eines „Anti-Ratgebers“, der anhand schlechter Beispiele aufzeigt, wie man es auf keinen Fall machen sollte, weckte sofort mein Interesse. Zu Beginn der Lektüre von Stephan Waldscheidts „Schreib den verd… Roman! Die simple Kunst, einen Bestseller zu verfassen. Ein Anti-Ratgeber.“ fühlte ich mich meinen Erwartungen entsprechend sehr gut unterhalten. Mit zunehmender Seitenzahl war die Message des Autors aber angekommen und das Buch hätte für mein Empfinden ein paar Kürzungen vertragen können.
Ein Anti-Ratgeber – wörtlich gemeint
Bereits in ihrem Vorwort hängt Verlegerin Sandra Uschtrin die Messlatte hoch: „Ein Buch, das den Lesealltag zum Funkeln bringt und Textanalysten mit neuem Schwung und Entdeckerfreude zum nächsten Manuskript greifen lässt.“ (S. 5) Auf humorvolle Art und Weise gelingt es Stephan Waldscheidt zunächst, diesem Anspruch gerecht zu werden. Die Leser, die wahrscheinlich selbst Schreiberfahrung mitbringen – denn an Schreibkollegen richtet sich Waldscheidt explizit – werden sogleich mit Mark Twain geerdet: „Es ist idiotisch, sieben oder acht Monate an einem Roman zu schreiben, wenn man in jeden Buchladen für zwei Dollar einen kaufen kann.“ (S.10) Schon auf der nächsten Seite werden die (angehenden) Schriftsteller*innen aber sogleich wieder aufgerichtet: „Die wichtigste all der Regeln, die Sie im Lauf dieses Buches verinnerlichen sollten, ist folgende: DER AUTOR HAT IMMER RECHT.“ (S.11)
Wer jetzt noch zögert, ob sich das Unterfangen, einen Roman zu schreiben, wirklich lohnt, kann ein paar Seiten später den Test machen: „Eignen Sie sich zum Schriftsteller?“. Grundsätzlich sind die Kapitel kurzweilig angelegt und die literarischen Anspielungen – z. B. die an Shakespeare angelehnten Überschriften wie „Zu den Genres oder Wie es euch gefällt“ – laden zur Lektüre ein.
Originelle Idee mit Längen
Nach einiger Zeit wirkt das, was am Anfang unterhält, aber zunehmend angestrengt. Der Autor wäre sicherlich mit weniger Beispielen, Anspielungen und Verweisen ausgekommen.
Es ist durchaus originell, wie es Stephan Waldscheidt gelingt, mögliche Empfehlungen ironisch ins Gegenteil zu verkehren. Etwa: „Je weniger Sie von den Charakteren wissen, desto besser.“ (S. 107)
Auch die Exkurse zur Autorentypologie, die der Autor immer wieder einstreut, lassen einen schmunzeln – wirken die Typisierungen doch überzogen, aber aus dem Leben gegriffen.
Fazit
Keine Frage: Stephan Waldscheidt vermag es, zu unterhalten und seine Leser zum Lachen zu bringen. Ganz nebenbei bringt er Zitate aus der Literaturwelt, macht Anspielungen und tut gekonnt Fettnäpfchen auf, in die man beim Schreiben tappen kann. Alles in allem hätten ein paar Kürzungen dem „Anti-Ratgeber“ aber sicher gut getan. Vielleicht hätte sogar ein Essay gereicht. Relativ schnell wird klar, worauf der Autor hinauswill und es wird zunehmend anstrengend. Wer insgeheim doch einen Ratgeber erwartet, ist wahrscheinlich enttäuscht.
Zudem stellt sich die Frage, ob man nach der Lektüre in der Lage ist, besser zu schreiben? Wenn der Autor eines geschafft hat, ist es der Impuls, nicht länger zu lesen und seinen Ausführungen zu folgen, sondern tatsächlich selbst zu schreiben. Damit hat er sein Ziel vielleicht doch auf subtile Weise erreicht und es starten auch andere Leser mit ihrem „verdammten Roman“.
Stephan Waldscheidt: Schreib den verd... Roman! Die simple Kunst, einen Bestseller zu verfassen. Ein Anti-Ratgeber. | Uschtrin Verlag | 2006 | 220 S. | Hardcover | ISBN: 978-3-932522-04-8
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